In den letzten Tagen wird in der Strick Community vermehrt über das Wohl der Schafe, vor allem der Merinos in Australien gesprochen. Ein Thema das alle paar Jahre aus der Versenkung geholt wird, um schnell wieder in der Versenkung zu verschwinden. StrickerInnen weltweit sind empört und geschockt zu erfahren, dass ihr kuschlig weiches Woll-Garn unter Missachtung des Tierwohls hergestellt wird.
Worum geht es?
Die australischen Merinos leben selbstständig und in riesigen Verbänden auf sehr großen Farmen. Das Merino wurde früher so gezüchtet, dass es besonders viele Hautfalten hat, und somit viel Wolle produziert.
Jedoch sorgen die Hautfalten für Probleme, besonders in den sensiblen Regionen um den After. Eine Fliegenart, die es nur in Australien gibt, siedelt sich dort bevorzugt an, legt Maden und diese fressen das Schaf innerlich auf. Um dieses, für das Tier sehr grausames Schicksal zu verhindern, wird den Lämmern ein handgroßes Stück Fleisch um die Afterregion weggeschnitten und das bei vollen Bewusstsein und meistens ohne jegliche Betäubung. Die Heilung dauert Wochen und ist sehr schmerzhaft.
Es gab schon oft Initiativen diese Prozedur zu verbieten, die jedoch gescheitert sind – wie so oft sprechen rein wirtschaftliche Gründe dafür. Selbst eine Betäubung, die nur den unmittelbaren Schmerz während der OP stillt, ist vielen Farmern zu aufwendig und zu teuer. Somit bleiben nur 10% der Merinos in Australien diese Prozedur erspart.
Was kann man als Verbraucher tun?
Nun könnte man sagen, dass man als Verbraucher unter diesen Umständen nichts mehr aus Australien kauft. Das ist allerdings nicht einfach, wenn man bedenkt, dass 88% der Merino Wolle aus Australien stammt. Den Verbrauchern müsste offen gelegt werden, von welcher Farm die Wolle stammt und ob diese Farm auf Mulesing verzichtet oder nicht. Ein Unterfangen, was unglaublich schwierig ist, denn Wolle wird in sehr großen Mengen verschifft und in Ländern wie China oder Italien zu Stoffen und Garnen weiter verarbeitet. Nur Garnlieferanten, die ihre Lieferketten offen legen, können nachweisen, woher die Wolle wirklich stammt. Wie so oft, wenn es um Tierwohl geht, haben wir Verbraucher es in der Hand Druck auszuüben, damit die Politik endlich Änderungen herbeiführt. Wollen wir etwas mehr für Wolle bezahlen und damit den Farmern ermöglichen Schmerzmittel einzusetzen oder sehr viel besser, das Schaf mehrfach im Jahr an den sensiblen Regionen zu scheren, können wir durchaus ruhigen Gewissens Wolle aus Australien kaufen. Das einzige Siegel, das tierleid freie Produktion garantiert ist das GOTS Siegel. Eine solche Zertifizierung ist allerdings für den Produzenten sehr teuer.
Neben der GOTS Zertifizierung ist die derzeit einzige andere Möglichkeit Wolle von Schafen zu kaufen, die nicht das Mulesing erleiden mussten ist, Merino aus anderen Teilen der Welt zu kaufen. Merino Schafe gibt es in Südamerika, vor allem Argentinien, ebenso wie Südafrika. Die Wolle aus diesen Regionen der Welt wird von vielen Kunden als sehr viel elastischer, weicher und weniger schwer empfunden.
Woher kommt unsere Wolle?
Als Handfärberin frage ich immer nach, woher die Wolle stammt, die ich an meine Kunden weiter verkaufen möchte. Nur wenn die Regionen, Spinnereien und Lieferwege offengelegt werden, kaufe ich bei einem bestimmten Händler ein oder aber lehne auch einen Kauf ab, wenn gesagt wird: ja es kommt aus Australien, aber es sei frei von Mulesing. Das mag mitunter stimmen, aber wenn ein Schiff mit Wolle von insgesamt 20 Farmen in Italien oder China anlegt, kann eben nicht garantiert werden, dass ein Strang Wolle, den ich in den Hand halte, eben genau von der Farm stammt, die ihre Tiere gut behandelt.
Ein weiterer Grund, auf Wolle aus Australien zu verzichten ist die Tatsache, dass die Schafe, haben sie als Woll-Lieferant ausgedient, in riesigen Schiffen nach Saudi-Arabien exportiert werden, wo sie geschlachtet werden. Die Schafe sind wochenlang unterwegs auf hoher See, bis sie in Jeddah anlegen können. Die Schafe werden so schlecht oder gar nicht versorgt, dass sie einen langen qualvollen Tod erleiden. Oft wird die gesamte Fracht auf hoher See gelöscht, da nur wenige Schafe die Strapazen überleben und sich der Transport nicht weiter rechnet. Mir persönliche erscheint dieses Schicksal genauso schlimm wie die Prozedur des Mulesing.
Schon früh habe ich als Strickerinnen und Konsumentin im Allgemeinen immer wieder in Läden nachgefragt, woher denn die Wolle für die Socken stammt oder für einen Blazer oder Anzug und war erstaunt zu erfahren, dass viele Verkäuferinnen und Verkäufer sich des Themas bewußt sind und auch Antworten haben, welche Firmen garantiert nur Wolle aus Europa beziehen oder welcher Sockenproduzent auf Wolle aus Neuseeland zurückgreift. So kann ich als Verbraucher eine Entscheidung treffen, die mein Gewissen beruhigt und dem Hersteller das Feedback geben, dass ich seine Bemühungen in Sachen Tierwohl zu schätzen weiss.
Ein Blick in die Zukunft ..
Es wird derzeit versucht die vielen Hautfalten des Merino Schafes zurück zu züchten. Das allerdings wird weitere 10 Jahre dauern. Es liegt an uns in der Zeit ein Zeichen zu setzen, guten Gewissens eine Kaufentscheidung zu treffen und weitere Menschen auf das Problem aufmerksam zu machen.